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Herrsching. Wehren oder weglaufen? Nach den Messerattacken der letzten Monate fragen sich viele Zugreisende, wie sie sich in einer Gefahrensituation verhalten hätten.

herrsching.online hat den Abteilungsleiter des Budo-Vereins Herrsching, Norbert Wittmann, nach seiner Einschätzung gefragt. Der Chef von 120 Karate-Kämpferinnen und -kämpfern rät: Fliehen, und zwar so schnell wie möglich. Er kann diesen Rat gut begründen: Bei Demonstrationskämpfen mit Lippenstift-bemalten Holzmessern zeigte sich: An den Kleidern von angegriffenen Kampfsportlern waren überall rote Farbspuren vom bemalten Holzmesser zu finden. Das bedeutet: Bei einer ernsten Attacke wären auch erfahrene Sportler verletzt worden.

Dass Schutz und Sicherheit zur Zeit Konjunktur haben, zeigte sich bei einem Seminar für Selbstverteidigung in der Martinshalle. Der ehemalige Polizeitrainer Freddy Kleinschwärzer führte Karatekämpfern vor, mit welchen Techniken man Attacken abwehren kann, wenn eine Flucht nicht mehr möglich ist.

herrsching.online hat den mehrfachen internationalen Meister im Kickboxen nach seiner Expertise gefragt.

Freddy Kleinschwärzer: In meinem früheren Job war ich Leitender Polizeitrainer bei der Bundespolizei, und parallel dazu habe ich viele Kurse für Schutz und Sicherheit geleitet. Meine Ausbildungseminare im Bereich Gewalt-Prävention, Intervention, Schutz und Sicherheit haben auch viele Frauen besucht.

herrsching.online: Die grausamen Szenen in dem Regionalzug in Schleswig-Holstein haben viele Bürger verängstigt. Was raten Sie bei einer akuten Bedrohung durch einen messerschwingenden Gewalttäter?

Kleinschwärzer: Das Wichtigste ist zuerst einmal die Wahrnehmung. Das heißt: Übersicht gewinnen und dann eine blitzschnelle Analyse machen. Die sinnvollste Reaktion aber heißt meistens: schnell flüchten. Bei einem entschlossenen, psychisch gestörten Täter hast du nämlich keine Chance, es sei denn, du hast auch eine Waffe zur Hand, die länger ist als sein Messer.

herrsching.online: Auch Sie als Polizeiausbilder und in vielen Kampfsportarten graduierter Sportler würden fliehen?

Kleinschwärzer: Ein toter Held ist ein schlechter Held.

herrsching.online: Auf was kommt es bei der Selbstverteidigung an?

Kleinschwärzer: Es kommt auf die Überraschung an. Wenn ein Angreifer nicht ahnt, welche Techniken der Angegriffene beherrscht, hat er keine Chance. Wenn der Angreifer aber weiß, welche Abwehrmaßnahmen der Angegriffene ergreift, wird sich der Attackierte wahrscheinlich auch verletzen.

herrsching.online: Einem ängstlichen Menschen wird inzwischen schon unwohl, wenn er einen Zug betritt…

Kleinschwärzer: Das ist so. Deshalb habe ich jetzt wieder viele Anfragen wegen Sicherheitstrainings – nicht nur von der deutschen Bahn, sondern auch von Behörden wie zum Beispiel von Jugendämtern. Tatsächlich kann man sich durch sogenannte Gefahren-Vermeidungstrainings vor solchen Angriffen schützen.

herrsching.online: Bieten Sie auch Seminare für Frauen, die sich für solche Gefahrensituationen vorbereiten wollen?

Kleinschwärzer: Ja. In Zeiten, in denen keine schlimmen Ereignisse wie jüngst im Regionalzug von Kiel nach Hamberg vorkamen, hatte ich aber manchmal Mühe, einen Selbstverteidungskurs für Frauen vollzubekommen. Nach solchen Attacken aber steigt die Nachfrage immer so stark an, dass die Kurse ganz schnell ausgebucht sind.